Praxis Herzberg AM
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Fasten ist mehr als nichts essen ...

"Durch ein gemäßigtes Fasten ist es möglich, die Signale des Organismus wieder besser zu hören und sein eigenes Maß zu erspüren".

 

In: "Fasten mit der Heiligen Hildegard.

40 Impulse für Leib und Seele"

von Hildegard Strickerschmidt

 

 

 

19.04.2019

 

Der Karfreitag, einer der wichtigsten und höchsten Feiertage der christlichen Kirchen, zeigt für viele Menschen den Höhepunkt und zugleich fast das Ende der 40-tägigen Fasten- und Abstinenzzeit zwischen Aschermittwoch und dem Ostersonntag an. In der heutigen Zeit ist Fasten nicht nur aus religiöser, sondern besonders auch aus gesundheitlicher und geistiger Sicht wieder geradezu „in Mode gekommen“ und angesehen geworden. Die Variationsmöglichkeiten für ganz unterschiedliche Fastenprogramme und ihre Intensität von strengem bis hin zu gemäßigtem Fasten, sind äußerst vielfältig. Im Grunde genommen lässt sich für jeden eine passende Methode finden, um sich mit diesem Thema einmal oder auch regelmäßig etwas intensiver auseinanderzusetzen, wenn man es möchte. Denn eines ist gewiss: beim Thema Fasten kann nur wirklich mitreden, wer es selbst zumindest einmal für eine gewisse Zeit praktiziert hat.

 

Unabhängig davon, nach welcher Methode gefastet wird, elementar steht dabei der Grundsatz:

Fasten ist nicht hungern und bedeutet weit mehr als Gewicht abnehmen.

Fasten bedeutet, für eine begrenzte Zeit freiwillig auf (feste) Nahrung und jegliche Genussstoffe, die grundsätzlich zur Verfügung stehen, zu verzichten. Begleitet wird diese Zeit sinnvollerweise von moderater Bewegung, wohl-tuender Entspannung und intensiver geistiger Regeneration. Aus den ursprünglich religiös geprägten Wurzeln des Fastens ist unabhängig davon mittlerweile eine eher breite Bewegung geworden, denn viele Menschen fasten heute entweder alleine oder gemeinsam innerhalb einer Gruppe, manchmal einfach mitten in ihrem Alltag, im Urlaub oder auch in einer speziellen Fastenklinik. Seit etlichen Jahren nimmt auch der Trend des religiösen Fasten wieder verstärkt zu und in vielen Kirchengemeinden bilden sich gerade in der vorösterlichen Zeit, aber auch im Advent, freiwillige Fastengruppen, die sich von zertifizierten Fastenleitern oder auch Fastenärzten begleiten und beraten lassen. Wesentlich dabei ist es, gesundheitliche Risiken für die Teilnehmer auszuschließen und ganz klar abzugrenzen, wer mit welcher Methode bedenkenlos fasten kann und wer definitiv nicht fasten sollte oder darf.

 

1935 prägte der bekannte Fastenarzt Otto Buchinger den Begriff „Heilfasten“ und knüpfte damit an die Urtradition des religiösen Fastens an, denn unter „Heil“ verstand er eine ausgewogene Balance zwischen körperlicher Gesundheit und psychisch-seelischem Gleichgewicht. Durch seine Wortwahl drückte er die verschiedenen Dimensionen des Fastens aus, womit deutlich wird, dass Körper, Geist und Seele  untrennbar zusammen gehören und eine Einheit bilden. Der Gedanke des freiwilligen therapeutischen Nahrungsverzichts erfuhr sowohl für kranke als auch für gesunde Menschen auch durch den bekannten österreichischen Fastenarzt Franz Xaver Mayr sowie Dr. Hellmut Lützner aus Überlingen zusätzlich an Bedeutung und Bekanntheit. Inzwischen gibt es viele weitere Möglichkeiten, um über eine bestimmte Zeit zu fasten, die den individuellen Bedürfnissen oder Neigungen entsprechen. Wer es aus unterschiedlichen Gründen nicht schafft oder auch nicht darf, ein strenges Fasten durchzuführen, kann auch mit einem gemäßigten Teilfasten sehr positive Effekte erzielen. Fasten sollte immer ohne Zwang und Druck geschehen und bedeutet keine Kasteiung:

„Hüte dich, höher hinaufzusteigen, als deine Kraft zu tragen vermag. In all deinen Unternehmungen umfange vielmehr die „Discretio“, die Maßhaltung.“ (Hildegard von Bingen)

 

Nachdem ich selbst seit etlichen Jahren mit Heilfasten nach Buchinger sehr viele erstaunlich positive Erfahrungen im Bereich eines körperlichen Leidens aus dem rheumatischen Formenkreis gemacht hatte, interessierte ich mich dafür, auch weitere Fastenformen etwas näher kennenzulernen und ich entschloss mich für eine Weiterbildung als zertifizierte Fastenleiterin, innerhalb derer verschiedene bekannte Methoden vorgestellt und intensiv erläutert wurden. Neben dem strengen Heilfasten und dem Fasten nach Buchinger, sowie dem F.X. Mayer-Fasten,  wurden auch gemäßigtere Fastenformen wie Basenfasten, Intervall- oder Intermittierendes Fasten, sowie Ayurveda Fasten u.a. besprochen.

 

Ganz besonders angesprochen hat mich das Fasten nach Hildegard von Bingen, das je nach Intensität der praktischen Ausführung zu den strengen  bis gemäßigten Fastenformen zählt und mit dem ich mich bislang überhaupt nicht befasst hatte. Bestandteil der Ausbildung war es, als Teilnehmer selbst für eine bestimmte Zeit nach einer frei wählbaren Methode zu fasten und für mich war sofort klar, dass dies die „Methode meiner Wahl“ sein würde, was sich rückblickend als sehr stimmig und passend erwies. Wichtig dabei zu bedenken ist, dass Hildegard von Bingen selbst keine eigene  „Fastenmethode“ im eigentlichen Sinn entwickelt hat und sich in ihrer Medizin und Ernährungslehre keinerlei Hinweise auf das Fasten an sich finden, sondern sie sich vielmehr immer wieder für eine grundlegend maßvolle und bekömmliche Ernährung ausspricht. Das heute bekannte „Hildegard-Fasten“ wurde erst von dem Arzt Dr. Gottfried Hertzka aus Konstanz unter Zugrundelegung eines strengen Fastens entwickelt, wobei er in das Konzept besonders ausgewählte Substanzen aus der Medizin der Hildegard von Bingen integrierte.

Hierzu zählen:

- bestimmte Lebensprinzipien, die den Menschen wieder zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit, also zu seiner

  "inneren Ordnung", führen, 

- spezielle Gewürze (u.a. Ingwer, Fenchel, Bertram, Galgant, Quendel, Ysop, Zimt) sowie

- bestimmte Grundnahrungsmittel, insbesondere den Dinkel.

 

In ihrem Visionswerk „Buch der Lebensverdienste – Liber vitae meritorum“ sprach sich Hildegard mehrfach für die Maßhaltung sowohl im Essen als auch im Fasten aus. Die sog. „disrectio“, also die rechte Unterscheidung, bildet für Hildegard als Benediktinerin den Mittelpunkt des Lebensrades: „Der Mensch soll mäßig essen und mäßig fasten.“ Ziel dabei ist es, aus krankmachenden Lebensgewohnheiten auszusteigen und somit wieder Ordnung in das Leben zu bringen. Ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit beim Fasten ist insgesamt die innere Einstellung. Dazu gehören ein gewisses Maß an Achtsamkeit, Gelassenheit, Ruhe, Geduld und Demut.

Es handelt sich hier also weder um ein rein körperbezogenes noch um ein esoterisch spirituelles System, sondern vielmehr um einen ganzheitlichen Ansatz in der gesamten Lebensführung. Mich persönlich hat diese Methode sehr angesprochen und überzeugt und sie kann aus meiner Sicht durchaus die Umstellung in ein insgesamt positiv verändertes Lebens- und Ernährungsverhalten anstoßen und darauf einstimmen sowie nachhaltig wirken.

 

Wer sich von dieser Methode ebenfalls angesprochen fühlt, dem mag ich an dieser Stelle sehr gerne die Lektüre eines besonders schönen Fastenbegleiters empfehlen:

„Fasten mit der Heiligen Hildegard. 40 Impulse für Leib und Seele“ von Hildegard Strickerschmidt, erschienen im benno-Verlag.

Die Autorin beschreibt in ihrem schönen Kalenderbuch diese ganzheitliche Sicht mit folgenden Worten: „Wir können ermessen, welche gewaltige seelische Anstrengung vonnöten ist, um Gemüt, Gefühl und Gedanken wieder zu reinigen. Ein gemäßigtes Fasten kann hier hilfreich sein, um diese Reinigung anzukurbeln. Der Mensch beginnt wieder, seine Gedanken auf die Einfachheit des Notwendigen und Bekömmlichen zu richten und erfährt dabei, wie sein Inneres wieder klarer wird. Der Hunger der Seele wird nicht weiterhin mit Essen übertönt."

 

 

„Beim Fasten brauchen wir Geduld.

Sie verlangt eine seelische Stärke und kann uns Gelassenheit lehren.“

 

(Hildegard Strickerschmidt)

 

 

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